Stromfreie Zone – Ein offener Brief an Tanesco

Liebe Tanesco,

(für alle Nichttansanier: Tanesco ist der größte, halbstaatliche Energiekonzern in Tansania)

wir haben sehr viel Verständnis für eure Strompannen und wir wissen um die schwierigen Umstände, mit denen auch ihr zu kämpfen habt. Es stimmt, Regen und Gewitter können eure Stromanlagen beschädigen. Deshalb ist es besser, sie bei drohendem Unwetter gleich auszuschalten, um Schlimmeres zu vermeiden.

Wir verstehen auch, dass ihr in der Trockenzeit, wenn eure Wasserwerke leer sind, den Strom aufgrund Strommangel an Sonn- und auch an anderen Tagen einfach abstellt, um den Verbrauch zu reduzieren.

Es ist auch nachvollziehbar, dass bei Wartungsarbeiten an den Leitungen das ganze Gebiet stromfrei gelegt wird, damit eure Arbeiter keinem Risiko ausgesetzt werden.

Da wir in Afrika und nicht Europa sind, nehmen wir es euch auch nicht übel, dass der Strom häufig auch grundlos einfach mal ausfällt. Mittlerweile haben auch wir die afrikanische Mentalität etwas angenommen und können unser Abendessen problemlos auch bei Kerzenschein zubereiten. Auch haben wir gelernt, dass verderbliche Lebensmittel nach einem Tag ohne Strom noch nicht gleich schlecht werden und es auch die Milch länger ungekühlt aushält als erwartet.

Licht
Das Tageslicht genießen, bevor es abends stockdunkel wird.

Anfang Januar habt ihr jedoch den Bock abgeschossen und dies ist auch der Grund für diesen Brief. Euer Transformator in unserem Dorf, bzw. Quartier ist kaputt gegangen und für komplette vier Tage waren wir vom Stromnetz abgeschnitten. Weder habt ihr die Anwohner informiert, noch gab es Schadenersatz.

Für uns als Kinderheim war das eine sehr bescheidene Situation. Unser Kühlschrank und Gefriertruhe waren bis oben mit Lebensmittel voll und wir waren die ersten zwei Tage damit beschäftigt, dem Schimmel zuvor zu kommen und die Lebensmittel zu verwerten. Unsere Angestellten freuten sich, sie bekamen Fleisch und Toast mit nach hause. Dadurch dass wir vier Tage ununterbrochen ohne Strom waren, waren auch irgendwann die Akkus unserer aufladbaren Taschenlampen leer (kein Wunder – die wurden ja auch ordentlich gebraucht. Dazu kommt, dass in unseren Breitengraden am Äquator die Sonne kurz vor 19 Uhr schon untergeht).

Vorlesen
Gutenachtgeschichte im Petroleumlicht

Auch die Handyakkus gingen gegen null zu – unsere Nannies verschliefen in der Früh, weil sie ohne Telefon keinen Wecker hatten. Ein Dankesnewsletter auf die großzügigen Weihnachtsspenden hin war am 6. Januar fällig, doch der Computer befand sich im Tiefschlaf. Der Wäschekorb war bis an den Rand mit Kinderkleidern voll. Wir hatten keine Ahnung, wann euer Problem behoben sein wird und so wuschen unsere Betreuerinnen mühsam jedes einzelne Kleidungsstück von Hand. Die Wasserpumpe pumpte auch nicht und zwang Peter und die Jungs 1500 l Wasser von Hand in den oberen Tank zu hieven.

Auch musste Peter seine Arbeit an den Dachrinnen unterbrechen, die das Regenwasser auffangen und in die Tonne leiten sollten. Ohne Strom konnte er auch da nicht weitermachen und nach Murphys Gesetz regnete es natürlich in den vier Tagen heftig. Doch es blieb uns nichts anderes übrig, als dem Regen von der Veranda aus zuzuschauen, wie er im Boden versickerte. Es blieb uns sowieso keine Wahl, als auf der Veranda zu warten mit tausend Sachen im Kopf, die erledigt werden müssten, wozu wir allerdings Strom gebraucht hätten. An Entspannung war dabei nicht zu denken, zu groß war der Ärger.

Um es kurz zu machen, wir bzw. gute Freunde von uns haben das Problem für uns gelöst: Sie spendeten dem Bassari Kinderheim nach diesen Frusttagen ein Honda Stromaggregat. (Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dankbar wir ihnen dafür sind. Was für eine Erleichterung!) Es geht mir im diesen Brief also nicht um uns. Die vorherigen Anekdoten sollen bloß veranschaulichen, was ein stromloser Alltag so mit sich bringt.

Es geht mir um viel mehr, es geht um das ganze Land und seine 55,5 Millionen Einwohner. Wie soll sich dieses Land entwickeln und vorankommen ohne eine zuverlässige Stromversorgung? Wie soll die Industrie Fuß fassen können und Arbeitsplätze schaffen? Wie sollen Investoren ins Land kommen? Was passiert mit all den Arbeitsprozessen, die durch jeden einzelnen Stromausfall lahm gelegt werden? Erkennt ihr, Tanesco, denn nicht eure immense Verantwortung für die Menschen hier? Wie dringend nötig ist ein wirtschaftlicher Fortschritt, um Leid zu lindern und Menschen aus der Armut zu führen. Das ist u.a. eure Aufgabe! Sorry, ich weiß, das ist kein Zuckerschleck und eine sehr komplexe Aufgabe. Aber bitte gebt euer Bestes und leistet euren Anteil dazu. Gebt etwas mehr Gas, zeigt Engagement für eure Kunden und steht für eine verlässige Stromversorgung ein, die der ganzen Bevölkerung zugute kommen wird. Wir würden uns über derartige Verbesserungen sehr freuen, auch wenn dies bedeuten würde, dass unser klasse Stromaggregat weniger gebraucht werden würde.

Mit freundlichen Grüße
Yvonne Moosbrugger

 

Ein Gedanke zu “Stromfreie Zone – Ein offener Brief an Tanesco

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