Achtung, die Beamten kommen!

Der Monat Juli sollte unser Monat werden. Wir standen schon kurz davor, endlich die ersten Kinder aufzunehmen. Von den Sozialbehörden hatten wir grünes Licht, die Räumlichkeiten waren ausreichend eingerichtet und unsere Nannys in den Startlöchern. Doch einen Tag vor geplanter Eröffnung, änderte der zuständige Beamte vom Sozialamt seine Meinung. Es gäbe nun doch noch Papiere vorher zu erledigen und sie wollen unbedingt noch zur offiziellen Inspektion vorbei kommen. Was blieb uns anderes übrig, als unseren Plan nochmals umzukrempeln und uns anstatt den Kindern nochmals der Bürokratie zuzuwenden.

Vor der Inspektion durchs Sozial- und Gesundheitsamt holten wir uns noch letzte Tipps von ähnlichen Einrichtungen ein, um gut vorbereitet zu sein und den Beamten in ihren Beanstandungen zuvor zu kommen. Wir schickten unsere Nannys für ein medizinisches Attest ins Krankenhaus, wir erstellten einen Erste Hilfe Koffer, kauften Feuerlöscher und brachten alles auf Vordermann.

 

Artist
Letzte Dekorationen im TingaTinga Stil

 

Peter war vom letzten Treffen mit den Behörden noch so verärgert, dass wir es für keine gute Idee hielten, ihn bei der Inspektion dabei zu haben. Er verbrachte den kompletten Vormittag in seiner Werkstatt hinter dem Haus zusammen mit unseren zwei Hunden. Yvonne hingegen hatte die Aufgabe, den Beamten Honig um den Mund zu schmieren und ihr Gefühl, sie seien Halbgötter, zu bestärken.

Wie erwartet hochnäsig kam die Delegation an. Yvonne blieb souverän, hieß sie herzlich willkommen und bot den Damen sogar Hausschuhe an, als ihnen der Fliesenboden zu kalt war. Es folgten die gleichen Fragen, die das Sozialamt uns bereits fünfmal gestellt hatte. Wie heißt euer Kinderheim? Wie viele Kinder könnt ihr aufnehmen? Haben die Nannys eine anerkannte Ausbildung absolviert? Habt ihr einen Sozialarbeiter?

Fein säuberlich schrieben sie alles in ihre Notizbücher. Hätten sie ein paar Seiten nach vorne geblättert, hätten sie von unserem letzten Gespräch her alle Antworten schon geschrieben vorgefunden. Doch Yvonne ließ sich nichts anmerken, blieb cool und beantwortete die Fragen, als wäre es zum ersten Mal.

Anschließend begutachteten sie die Räumlichkeiten. Wir überraschten sie damit, dass wir sogar an einen „medizinischen Isolationsraum“ gedacht hatten. Einen Raum, um Infektionskrankheiten einzudämmen. Pluspunkt für uns. Auch imponierten sie Peters Werke: Von den Schulbänken, zur Wandtafel, zum Esstisch über die Schaukel. Sehr toll, meinten sie. Ob er auch Küchenschränke mache, frage die eine, sie suche noch einen guten Fundi.

 

Schulzimmer
In einem schönen Klassenzimmer lernt es sich leichter.

 

Dann kamen wir zu den Mängeln. Wir wurden belehrt, dass die Person, die kocht unbedingt eine weiße Uniform tragen muss inklusiv Kochhaube. Anstatt Blockseite hätten wir Flüssigseife zu verwenden und wir bräuchten dringend noch mehr Abfalleimer. Der Erste Hilfe Koffer nahm die Gesundheitsbeamtin auch auseinander und klärte Krankenschwester Yvonne darüber auf, dass nur Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel und Schmerzmittel hineingehörten. Alle anderen Medikamente hätten wir separat aufzubewahren. Yvonne nickte zu allem brav und versicherte, Verbesserungsvorschläge am gleichen Tag noch in die Tat umzusetzen.

Innerlich unterdrückte sie den Gedanken daran, dass wir hier in einem Land sind, in dem die wenigsten Menschen Strom geschweige denn fließend Wasser haben. Viele schlafen auf improvisierten Betten aus Tüchern auf dem Boden und sind froh, wenn sie sich billige Kernseife zum Kleiderwaschen und Duschen leisten können. Und wir diskutieren hier über Flüssigseife?! Ist das euer Ernst??

 

Sink
Waschbecken mit Zahnbürstenhalter und neu auch mit Flüssigseife

 

Doch wir haben gelernt, dass Beamten nicht gerne kritisiert werden und man sich keinen Gefallen macht, wenn man sich ihnen querstellt. Vielleicht werden wir in Zukunft mutiger, doch momentan nehmen wir den einfachen Weg und lassen sie in ihrem Glauben, dass sie was ganz besonderes sind, nämlich Halbgötter.

3 Gedanken zu “Achtung, die Beamten kommen!

  1. Griaß eich!
    Schön von Euch zu hören. Die Räume sind seeehEr schön geworden. Ganz prima! Drücke euch die Daumen, dass ihr euch nicht mehr mit der Bürokratie herum schlagen müsst und bald die ersten Kinder begrüßen dürft. Ganz liebe Grüße Kerstin

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    1. Griaß di Kerstin, vielen Dank für die lieben Worte. Wir freuen uns auch sehr, dass die Räume so toll geworden sind. Da werden sich nicht nur die Kinder wohl fühlen, sondern wir genau so 🙂 Liebe Grüße an die ganze Familie, Peter & Yvonne

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  2. Hallo, Yvonne und Peter, das sieht ganz wunderschön aus! Unglaublich, was Ihr geleistet habt! Und zu Deiner Diplomatie kannst Du Dich nur beglückwünschen, Yvonne!
    Ich werde im Oktober ein paar Wochen für projects abroads in Arusha arbeiten und würde Euch gern besuchen, falls das passt. Braucht Ihr was aus Deutschland? Dann lasst es mich wissen.
    Viele liebe Grüße
    Heike

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